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Die Suche nach dem gewissen Etwas

von Sarah Klemisch
Ein Gespräch mit

Monique Knapen

vom niederländischen Kulturinstitut

Geschäftiges Treiben prägt die Atmosphäre rund um das Niederländische Kulturinstitut in der Herengracht. Hier reihen sich Galerien und Cafés aneinander und buhlen um die Aufmerksamkeit der zahlreichen Touristen. Umso eindrücklicher ist die gedämpfte Geräuschkulisse im Innern des Instituts. Der Straßenlärm wird nicht zuletzt durch die schwere, hölzerne Eingangstür aus dem 17. Jahrhundert ferngehalten. Auch das Treppenhaus lädt zum Reisen in längst vergangene Zeiten ein: aufwändige Wandmalereien und das edle dunkle Holz des Geländers erinnern daran, das Amsterdam einst die wohlhabendste Stadt Europas war. Die moderne Einrichtung der Räume steht hierzu im wirkungsvollen Gegensatz und ist mit dem spröden Charme von deutschem Behördenmobiliar kaum zu vergleichen.

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Moooi (Store): Lolita Lamp
Das Niederländische Kulturinstitut wird vom Ministerium für Kultur und vom Ministerium für Auslandsangelegenheiten finanziert, agiert jedoch unabhängig. Der bi- bzw. multilaterale Kulturaustausch steht im Vordergrund. Anders als in Deutschland gilt der kreative Sektor in den Niederlanden als einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren. Die kreativen Industrien fallen auch beim Export deutlich ins Gewicht. Wen wundert’s, dass das niederländische Kulturinstitut die Wirtschaftsleistung des Kreativsektors, vom Film über Kunst bis hin zum Design, ankurbeln und speziell den weltweiten kulturellen Austausch unterstützen will. Die Förderung von Design lässt sich der niederländische Staat einiges kosten: Neben dem Niederländischen Kulturinstitut gibt es noch den Creative Industries Fund und das New Institute. Beides sind nationale Förderungsinstitutionen mit Sitz in Rotterdam. Neben der finanziellen Unterstützung des Amsterdamer Kulturinstituts haben die beiden Rotterdamer Institutionen 14 Millionen Euro für Projekte der Kreativwirtschaft im In- und Ausland zur Verfügung. Das Geld soll „den Designern dabei helfen, wirtschaftlich erfolgreich zu sein“, informiert uns unsere Interviewpartnerin. Es gehe also um die Frage, wie man sicherstellen kann, dass niederländisches Design „wächst“und sich etabliert.

Dutch Design ist reduziert und hat immer einen gewissen Witz

Das Interesse der Politik am nationalen Kulturgeschehen geht sogar so weit, dass zu Staatsbesuchen eine Tanzperformance dargeboten oder ein Orchester mitgenommen wird. Schwer vorstellbar, dass die deutsche Bundeskanzlerin neben der üblichen Wirtschaftsdelegation von den Berliner Philharmonikern oder einem Tanzensemble begleitet wird. Danach gefragt, was für Monique Knapen „typisch niederländisches Design“ sei, nennt sie „eine spezielle Verknüpfung aus dem Bestreben, innovativ zu sein und der Haltung, diese Innovationen, Ideen etc., auch zu Geld zu machen“ und gibt ein Beispiel: Als Amsterdam 2013 als Gaststadt auf der Beijing Design Week vertreten war, hätten auch die chinesischen Gastgeber danach gefragt. Im niederländischen Kulturinstitut wurde nach einem Statement gesucht, was Amsterdam so besonders mache und worin seine Attraktivität liegen möge. So kam man schnell auf Schlagworte wie „innovativ“, aber natürlich auch „Form“ und „Funktion“ und, dass es immer sehr kreativ sein sollte. Das allein sei noch wenig greifbar. Unsere Gesprächspartnerin ist sich sicher: „Dutch Design ist reduziert und hat immer einen gewissen Witz. Im niederländischen Design ist Humor enthalten.“ Es ist interessant, dass Monique Knapen dies als Alleinstellungsmerkmal nennt. Von Cock de Rooy, Geschäftsführer und Einkäufer des Einrichtungsgeschäfts Frozen Fountain, hörten wir ein sehr ähnliches Statement. Und unsere eigenen Beobachtungen in Amsterdam führten uns zu dem Schluss, dass das Design unseres Nachbarn sich selbst nicht zu ernst nimmt. Ein leichtes Augenzwinkern ist immer dabei. Umgekehrt wirkt deutsches Design auf Monique Knapen im Vergleich „sehr solide und sehr stark, aber eben auch sehr ernst“. Wir nicken zustimmend. Auf unseren Streifzügen in Amsterdam bemerkten auch wir einen unbeschwerteren Umgang mit der Farbpalette, gleich ob auf Plakaten oder als Leuchtenfarben. In Deutschland sind auffallende Farben und gewagte Kombinationen eher die Ausnahme.
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HUTSPOT an Woustraat 4 1073 LL, Amsterdam

Die Niederlande sind ein kleines Land, man muss dort immer flexibel sein.

Wir berichten von einer Beobachtung aus dem MOOOI Store: „Dort ist uns die pinkfarbene Lolita-Leuchte von Marcel Wanders aufgefallen, die um Eintausend Euro kostet. Deutsche Käufer würden bei diesem Preis vermutlich eine dezente weiße oder schwarze Leuchte wählen.“ Monique Knapen lächelt: „Es ist natürlich ein Statement. Wenn die Leuchte schwarz wäre, warum würde ich sie kaufen wollen? Niemand würde sie sehen!“ In gewisser Weise visualisiert die auffällige Farbe, dass es sich um etwas Besonderes handelt. Monique Knapen vermutet, dass es um den Mut geht, etwas einfach zu machen und eben nicht darüber nachzudenken, ob man so etwas tun kann. An dieser Stelle fällt unserem Gegenüber ein Shop ein, den sie uns empfiehlt. Er nennt sich Hutspot und befindet sich in Laufnähe zum Kulturinstitut. Die Besitzer sind Designer. „So wird die Zukunft aussehen“, ist sich Monique Knapen sicher. „Es ist ein Geschäft, aber auch ein Restaurant und ein Friseur. Sie suchen selbst die Designer aus, daher ist es eine neue Art des Mixens“. Es sieht nicht wirklich nach einem designten Ort aus und dennoch ist Hutspot sehr hip. Für sein Konzept bekommt der multioptionale Ort eine Menge Aufmerksamkeit. In Magazinen und Blogs diskutieren Journalisten die Frage, auf welche Weise es ein Bedürfnis danach gibt und ob Hutspot ein Vorreiter sein könnte.
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Stedelijk Museum 2014: Babel Chair: Marcel Wanders
Die Lust unterschiedliche Sparten zu kombinieren, könne jedoch auch aus der Not geboren sein, erklärt uns unsere Gastgeberin: „Die Niederlande sind ein kleines Land, man muss dort immer flexibel sein. Dies gilt auch für den Arbeitsmarkt. Da Festanstellungen in Unternehmen eher eine Seltenheit sind, arbeiten sehr viele Menschen als Freelancer, besonders in der Kreativindustrie. Daher versuchen einige, sich selbst etwas aufzubauen, wie z.B. ein Café oder einen Laden oder eine neue Kombination von Dienstleistungen.“ Auf eine gewisse Art sei das die neue Wirtschaft: „Es ist für eine begrenzte Zeit, nichts ist fest, man muss kreativ sein, man macht es einfach.“ Das sei speziell das Amsterdamgefühl, es ist alles möglich: „And then you do it, you just start the show“, bringt sie es auf den Punkt. Die Stadt unterstütze junge Menschen, die kreativ sein wollen. „Das ist auch der Grund, warum viele Unternehmen herkommen, viele aus dem Game Design oder anderen Bereichen der Kreativindustrie. Diese Offenheit und die Bereitschaft Kreativität und Ideen zu unterstützen zieht gute Leute an, es ist eine Win-win-Situation.“ Die Kehrseite von „Alle lieben Amsterdam“: die Mieten steigen immer weiter, so dass einige der gerade erst angekommenen Kreativen die Stadt bald wieder verlassen. Das kommt uns bekannt vor, denn in Berlin ist dasselbe Phänomen zu beobachten. Angesichts der blühenden Kreativindustrie in den Niederlanden mit seinen vielen Akteuren stellt sich die Frage, wer von ihnen das niederländische Design wohl am meisten repräsentiert. Für Monique Knapen sind es Moooi und ganz speziell Marcel Wanders, der just zur Zeit unseres Amsterdamer Besuchs eine Ausstellung im Stedelijk Museum hatte. „Seine Gestaltung hat immer einen Twist, es ist immer etwas Lustiges, Seltsames oder Befremdliches enthalten. Dennoch kann man es immer erkennen. Es ist funktional und zugänglich, nicht unbedingt durch den Preis, aber es gelingt Marcel Wanders, vielen Menschen einen Zugang zu seiner Gestaltung zu verschaffen“, kommentiert sie. „Außerdem ist er ein sehr guter Geschäftsmann. Die Ausstellung wird zwar von Experten stark kritisiert und als zu kommerziell angesehen, aber die Bevölkerung liebt ihn und die Ausstellung ist ein großer Erfolg. Design ist gegenwärtig sehr wichtig, die Menschen interessieren sich dafür und sie verstehen Marcel Wanders. Jeder will ihn sehen.“ Es gäbe noch viele weitere, die Niederländisches Design repräsentieren, z.B. die Designer und Designerinnen von Droog (s.39), Hella Jongerius oder Irma Boom. Einige von ihnen, wie Rem Koolhaas oder Victor&Rolf, seien inzwischen weltweit so erfolgreich, dass sie sich längst nicht mehr als Niederländer, sondern als internationale Kreative verstehen.